Durch die wilden Karparten

img_6008Nach meinem Ausflug nach St. Petersburg bin ich per Flugzeug wieder zurück in Budapest. Es ist 22:30 Uhr und ich nehme ein Taxi zum buddhistischen Zentrum. Der Taxifahrer spricht so gut wie kein Englisch oder Deutsch, dafür zeigt er mir Nachts sein Fahrkünste. Es geht mit 95 Kmh durch das nächtliche Budapest. Die Lichter der Schaufenster und Laternen fliegen nur so an mir vorbei. Ich bimg_6415leibe gelassen und genieße den Nervenkitzel. Nach 25 Minuten ist der Spuk vorbei und ich stehe vor dem Haupteingang. Es sitzen noch Freunde in der Cafeteria des Zentrums zusammen und geben mir den Schlüssel für den Schlafsaal. Am nächsten Morgen muss ich noch wichtige Aufgaben erledigen: meinen Online Antrag für das Russland Visum ausfüllen, drucken und zusammen mit dem Visumantrag für Indien zu meiner Visumagentur nach Frankfurt senden. Die Menschen im Zentrum sind sehr hilfsbereit, ich darf den PC im Office benutzen und auch der Ausdruck ist kein Problem. Doch dann kommen die Herausforderungen: wo finde ich ein Postamt? Wo gibt es gepolsterte Briefumschläge, die nicht sofort beim Transport zerreißen? Inimg_6419 Russland habe ich einen halben Tag lang versucht einen gepolsterten Briefumschlag zu finden. Entweder gibt es nur ganz einfache DIN A4 Umschläge oder Plastiktaschen. Beides war nicht zu gebrauchen. Ich beginne die Suche mit einem Spaziergang zum Hauptbahnhof. Angeblich soll dort ein Postamt sein. Nachdem ich zweimal um den Bahnhof und an der Post vorbei gelaufen bin, stehe ich endlich in der Schlange vor dem Postschalter. Nach einer Viertelstunde bin ich an der Reihe. Dort eröffnet man mir, das man zwar Briefmarken aber keine Briefumschläge verkauft. Ich gehe noch einmal zwei Stunden in den Gassen von Budapest spazieren, bis ich endlich einen Briefumschlag in meinen Händen halte. Wieder zurück ins Postamt und alles sorgfältig eintüten: Passbilder, Anträge, Reisepässe (jawohl Reisepässe! Als Weltenbummler kann man sich zwei gültige Reisepässe ausstellen lassen. So ist man flexibler, wenn man ein Visum benötigt). Und dann; “ab die Post” nach Deutschland.

img_6431Nachmittags bereite ich mein Fahrrad auf die nächsten Streckenabschnitte vor und dann geht es am nächsten Morgen auch schon los in Richtung Szeged. Nach 180 Kilometern erreiche ich das buddhistische Zentrum an der Grenze zu Rumänien. Szeged ist eine gemütliche und freundliche Stadt. Es gibt eine Universität, einen berühmten Dom und viele freundliche Menschen. Selbst die Polizei ist sehr freundlich. Sie bittet mich höflich die andere Straße mit dem Fahrrad zu benutzen, als ich auf dem Gehweg fahre. Ich werde auch sehr freundlich durch die Sangha empfangen und kann zwei Nächte in der Gompa schlafen. Man füllt den Kühlschrank extra für mich auf und nach der gemeinsamen Meditation gibt es ein gemütliches Abendessen. Wir unterhalten uns in drei Sprachen (Ungarisch, Englisch und Deutsch) und sind uns einig, das die Meditation in jeder Sprache wirkt. Am nächsten Tag erhalte ich von meiner Visumagentur eine Nachricht, img_6459das meine Passbilder nicht akzeptiert werden. Die Qualität der Bilder entspreche nicht den Anforderungen. Dabei hatte ich die Bilder in unterschiedlichen Formaten (Standard 3,5 x 4,5 und Indien 5 x 5) extra in St. Petersburg drucken lassen. Die Zeit drängt und ich suche ein Fotogeschäft, das auch unterschiedlich große Passbilder drucken kann. Nach vielen Versuchen finde ich schließlich ein Geschäft und kann wenig später einen Brief nach Deutschland schicken.

Die Sonne scheint als ich Szeged verlasse. Es ist mit 5 Grad nicht sehr warm, aber es soll trocken bleiben. Nach zwei Stunden erreiche ich die Grenze zu Rumänien. Bereits 5 Kilometer vor dimg_6447er Grenze verändert sich die Landschaft merklich. Es gibt nur riesige Felder mit braunen Ackerböden. Die Feldfrüchte sind schon geerntet und die Sicht ist kilometerweit möglich ohne einen einzigen Baum. Hier kann sich niemand unbemerkt der Grenze nähern oder sie überschreiten. Auch auf der rumänischen Seite bleibt dieser Eindruck mehrere Kilometer bestehen.

Nach 120 Kilometern empfängt mich die Stadt Timisoara mit einem herrlichen sonnigen Herbsttag. img_6462Die Innenstadt bietet ein osteuropäisches Multi-Kulti-Bild. Es gibt Damen mit sehr hohen Absätzen, die offensichtlich bereit sind, ihre Zeit für Geld mit jedem zu teilen. Zigeuner, die sich sehr für mein Fahrrad und meine Packtaschen interessieren. Straßenhändler, die von Blumen über Gemüse bis zum Handyzubehör alles im Angebot haben und viele Straßencafés die von jungen Frauen mit ihren Smartphones belagert werden. Und es gibt einen McDonalds bei dem ich kostenlos ins WLAN gehen kann. Nach einem Cappuccino verlasse ich die Stadt und suche mir einen ruhigen Schlafplatz für mein Zelt. Die Nacht ist klar und kalt. In der Ferne bellen Hunde. Da ich keine Lebensmittel im Zelt aufbewahre kommen die Tiere auch nicht an mein Zelt heran. Am nächsten Morgen fahre ich von der Ebene ins Tal, tiefer in die Gebirgszüge der Westkarparten. img_6468Hier zeigt sich die Natur noch sehr wild. Es gibt ca. 5.000 freilaufende Bären, unzählige streunende Hunde und die Bergspitzen sind bereits mit Schnee bedeckt. Auch das Wetter hat sich geändert. Es regnet stark und der Gegenwind fordert zusätzliche Kräfte von mir. Manche Windböe kommt so stark und unberechenbar von der Seite auf mich zu, dass ich mehrfach von der Straße in den Graben gedrückt werde. Entlang der Landstraße gibt es viele ungepflegte Parkbuchten die mit Müll verdeckt sind. img_6481Hier leben Rudel von freilaufenden Hunden, die ihren Bereich sehr aggressiv verteidigen. Die Steigungen in den Karparten reduzieren natürlich die Reisegeschwindigkeit und so hat mich völlig unerwartet ein Rudel Hunde umzingelt. Fünf oder sechs Hunde fletschen die Zähne und versuchen in meine Beine zu beißen. Die Rotation der Pedalen ist jedoch zu schnell für einen gezielten Biss. Der Leithund versucht meinen Oberschenkel zu erwischen. Ich mobilisiere alle meine Kräfte und gebe Gas. Erst nach 300 Metern lassen die Tiere von mir ab. Dieser Vorgang wiederholt sich die nächsten drei Tage mehrfach. Erst hinter den Karparten treten weniger Rudel auf. Es gibt noch immer eine Menge freilaufende Hunde, diese sind jetzt aber mehr Einzelgänger und bis auf wenige Ausnahmen eher scheu.img_6476 Mein Weg führt mich zurück an die Donau, die ich noch ein Stück begleite, dann verlasse ich den Fluß und fahre über sanfte Hügel an die bulgarische Grenze bei Ruse. Trotz meiner gelber Warnweste und Dauerlicht überholen viele Fahrzeuge auf der Gegenfahrbahn der Landstraße und kommen mir entgegen. Dann wird der Platz auf der Straße sehr eng. Ein Busfahrer ignoriert mich bei seinem Überholvorgang völlig und ich kann mich in letzter Sekunde in den Graben retten. Erst als ich nach insgesamt 650 Kilometern Rumänien wieder verlasse entspannt sich die Situation. Es war eine gute Übung um so testen, ob ich wirklich furchtlos bin.

4 Kommentare zu “Durch die wilden Karparten

  1. Christiane

    Lieber Detlev, deine Reiseberichte sind so spannend, einfach zum miterleben. Die Gefahr durch die streunenden Hunde und der Fahrstil der Autofahrer erfordern allerdings Nerven wie Drahtseile. Ganz viel Kraft, Freude und viel Glück weiterhin auf deiner Reise wünscht Dir Christiane

  2. Claudia

    Wow, das ist ja wirklich spannend! Für die Grenzüberquerungen nach Rumänien und Bulgarien brauchst du ja keinen Reisepass, das sind ja EU-Länder. – Ist dein Fahrrad also inzwischen zum Glück repariert, ich dachte, das wäre eine langfristigere Angelegenheit.
    Dann viel Freude auf deiner weiteren Reise, die hoffentlich friedlich ohne Angriffe von wildgewordenen Bus-/LKW-Fahrern und anderen Hunden verläuft.
    Alles Liebe aus Essen,
    ClaudiH

  3. Ulrike Schipprack

    ich freue mich dass du gesund alles überstanden hast,find dich recht mutig und alles liest sich nach Abenteuer…..
    ganz viel Glück,Kraft,Gesundheit…
    liebe Grüße und weiterhin spannende (Aber nicht gefährliche) Abenteuer…
    Alles Liebe aus dem Allgäu…Kramapa Chenno…

  4. Luki

    Meine Güte: blinde Busfahrer, hungrige Hunde ohne Ende – mir scheint, Du bist/warst in Lebensgefahr. Ich denke oft an Dich. Ist mit dem Fahrrad wieder alles ok? Wie hast Du´s repariert bekommen?

    Luki

    Der sich inzwischen ein Rohloffrad selbst gebaut hat – so gut gworden, daß es letzte Woche geklaut wurde.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Translate »