Nach meinem Aufenthalt in Russland erscheint die Stadt Tallinn in Estland sehr europäisch. Das liegt zum einem an den guten und mit Asphalt bedeckten Schnellstraßen (weitgehend durch EU Förderung finanziert) und der englischen Sprache, die überall zu hören ist. Natürlich versteht man auch hier Russisch, aber Tallinn besitzt eine bewegte Geschichte von Eroberungen und Unterwerfungen. Seit mehr als 25 Jahren ist das Land unabhängig von den ehemaligen Sowjetstaaten und besitzt den Euro als Währung. Die historische Altstadt ist bei schönem Wetter regelrecht mit Touristen verstopft. Der zentrale Marktplatz mit seinen unzähligen Restaurants und Kneipen ein beliebter Treffpunkt. Alles ist sehr gepflegt, überschaubar und sicher. Allerdings wird überall vor den recht erfolgreichen Taschendieben gewarnt. Ein Touristenführer erzählte mir, das man neben den historischen Burganlagen und Kirchen, auch sehr stolz auf die elektronische Verwaltung ist. So kann man problemlos von zuhause mit seinem e-Ausweis die Regierung wählen oder seine Steuererklärung abgeben. Viele junge und gut ausgebildete Studenten verlassen jedoch sehr häufig das Land, um in London oder anderen Großstädten mehr Geld zu verdienen.
Das Zentrum in Tallinn ist nur wenige Gehminuten von der Altstadt entfernt. Gleich am ersten Abend meiner Ankunft bekam ich eine kleine Stadtführung. An einigen Stellen, besonders in der oberen Altstadt, hat man einen sehr schönen Überblick über die gesamte Stadt und den Hafen. An diesen Aussichtspunkten ist man nie alleine. Viele große Kreuzfahrtschiffe legen täglich in Tallinn an und so gehören die unzähligen Touristengruppen zum Alltagsbild. Kleine Shops bieten traditionelle Kleidung und Schmuck aus Bernstein an. Als Mönch verkleidete Händler verkaufen gebrannte Kastanien und Postkarten. Die ganze Stadt scheint vom Tourismus zu leben. Besonders Abends und gegen Mitternacht, erscheinen die alten Gassen und Burganlagen sehr einladend.
Zurück, von unserem kleinen Spaziergang, im buddhistischen Zentrum, wurde ich im Garten zum Grillen eingeladen. Die Kommunikation über Englisch, Russisch und Gebärdensprache funktionierte ohne Probleme und es wurde eine schöne warme Sommernacht bis fast 2 Uhr morgens. Am nächsten Tag wurden überraschender Weise, drei bis vier Tische in den Garten gestellt und es wurde fleißig gekocht. Von 12 bis 18:00 Uhr verwandelte sich der Garten in ein kleines Freiluft-Restaurant. Auf meine Frage, ob es denn schwer sei, eine Restaurantlizenz zu bekommen, antwortete man mir gelassen: Im Prinzip schon, aber wir haben gar keine Lizenz. Das schien aber niemanden wirklich zu stören. Die Gäste aus der Nachbarschaft waren immer mit dem Essen sehr zufrieden. Und ich war es auch. Die Gastfreundschaft war sehr herzlich und am Tag meiner Abreise wartete noch ein kräftiges Radfahrer Frühstück auf mich. Dann ging es wieder los, weiter in Richtung Grenze nach Litauen.
Von Tallinn über Pernau nach Riga gibt es nicht viele Routen zur Auswahl. Und schon gar keine Radwege. Entweder fährt man über Schotterpisten und lange Umwege oder über die Schnellstraße, die hier oft auch als Autobahnen bezeichnet werden. Aber nicht mit den deutschen Autobahnen zu verwechseln sind. Da ich mich für die Schnellstraße entschieden hatte, standen mir auf dem Seitenstreifen ca. 30 bis 50 cm als Radspur zur Verfügung. Im direkten Kampf zwischen Wohnmobilen, Trucks und vielen anderen Fahrzeugen entschied ich mich zum ersten Mal für meine zusätzliche Warnweste. Trotz sommerlichen 32 Grad und wenig Wind. Aber die passive Sicherheit hatte hier Vorrang. Und ich war nicht alleine unterwegs. Ich traf auf der Schnellstraße Radfahrer aus Italien, Russland, USA und Estland. Einige Radfahrer habe ich später sogar in Riga wiedergesehen.
Liebe Grüsse aus dem EC und viele gute Wünsche, für Deine weitere Tour !! Es ist immer wieder spannend, Deine Berichte zu lesen. Geniesse es !? LG Claudia
Tja da kann ich mich 2nur” Claudia anschliesen und freue mich sehr über deien Erlebnisse…ja in Talin war ich auch mal (natürlich nicht mit dem Radl) aber die von dir beschriebene Athmosphäre kann ich nachfühlen..
Aus dem segensfeld vom Lama die besten Grüße
Karmapa Chenno…